Verkehrszeichen Fahrrad verboten

cof © Konrad Krause / ADFC

Behörde kann Straße nicht einfach so für Fahrräder sperren

Darf eine Stadt eine Straße für Fahrräder sperren, nur weil sie so schmal ist, dass Autos an manchen Stellen nicht überholen dürfen?

Dieser Auffassung war die Gemeinde Groitzsch und der Landkreis Leipzig, die 2021 zwischen den Ortsteilen Pödelwitz und Wischstauden die Kippenstraße für Fahrräder sperrten. Diese kleine Straße ist schwach befahren und an einzelnen Stellen nur 3,60 m breit. Eine vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) unterstützte Klage zeigte nun: Eine solche Sperrung ist nicht rechtens.

Die Straßenverkehrsbehörde berief sich bei der Sperrung auf den seit 2021 in Paragraph 5 Abs. 4 StVO verankerten verpflichtenden Überholabstand von 1,50 m zwischen Autos und Fahrrädern. Dass die Straße Engstellen aufweise, an denen Autos diesen Abstand nicht einhalten können, war das Hauptargument der Gemeinde Groitzsch. Auch der Landkreis und die hinzugezogene Polizeidirektion schlossen sich dieser Auffassung an. "Wir waren erschüttert, dass man überhaupt auf so eine Idee kommen kann." sagt Konrad Krause, Geschäftsführer des ADFC Sachsen. "Für uns war gleich klar: Eine derart absurde Interpretation der StVO darf nicht Schule machen. Hier müssen wir etwas tun."

Ein Mitglied des ADFC legte vor zwei Jahren Widerspruch gegen das Fahrradverbot in Groitzsch ein und kam auf den Fahrradclub mit dem Thema zu. Der ADFC beriet und unterstützte bei der Klage. Das durch die Klage erst ins Rollen gebrachte Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Leipzig brachte nun Klarheit in die Sache. Im August 2023 entschied das Gericht über den Fall und stimmte dem ADFC-Mitglied und der Rechtsauffassung des Fahrradclubs zu. Die Stadt Groitzsch muss das Fahrradverbot entfernen. Das Urteil ist seit dem 10. Oktober 2023 rechtskräftig.

"Es ist schade, dass wir erst vor Gericht ziehen mussten, damit unserem Mitglied so etwas selbstverständliches wie das Radfahren auf einer Straße zugebilligt wird." sagt Krause. Die Nutzung öffentlicher Straßen steht grundsätzlich allen Verkehrsteilnehmern offen. Verkehrsinfrastruktur ist ein ganz grundlegender Bestandteil der Daseinsvorsorge. Krause hofft, dass von dem Verfahren ein Signal auch an andere Kommunen ausgeht: "Nur dass eine Straße vielleicht etwas schmal ist, führt nicht dazu, dass man sie für den Radverkehr sperren kann. Das gilt in Groitzsch und das gilt auch in ganz Deutschland." sagt der ADFC-Geschäftsführer.

"Wir würden uns wünschen, dass die Behörden bei der Auslegung der StVO stets die  Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer würdigen. Solchem Wildwuchs wie bei dem Beispiel in Groitzsch gehört ein Riegel vorgeschoben." ist Krause überzeugt. Auch der Freistaat Sachsen sei gefragt, mit Schulungen, modernen Musterlösungen sowie seiner Aufsichtspflicht über die örtlichen Straßenverkehrsbehörden Ordnung in die teils willkürliche Auslegung der StVO zu bringen. Denn oft stehe statt der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer vor allem die Beschleunigung des motorisierten Verkehrs im Vordergrund.

Hintergrund

Seit der StVO-Novelle im Jahr 2021 gilt beim Überholen von Fahrrädern ein verpflichtender Mindestabstand von 1,50 m. Diesen Abstand nahm die Stadt Groitzsch zum Anlass, die an einigen Stellen nur 3,60 m breite Kippenstraße für das Befahren mit Fahrrädern zu sperren. Die Straße sei schlicht zu schmal, dass Lkw Fahrräder ordnungsgemäß überholen könnten. Deshalb sei die Sperrung rechtens, so die Stadt Groitzsch. Auch Beratungen zwischen Gemeinde, Landratsamt und Polizei führten zu keiner Änderung dieser aus Sicht des ADFC völlig abwegigen Rechtsauffassung.

Die vom ADFC Sachsen unterstützte Klage gegen die Stadt Groitzsch brachte nun Klarheit in die Sache. Im August 2023 behandelte das Verwaltungsgericht Leipzig den Fall und stimmte unserem Mitglied und der Rechtsauffassung des ADFC zu.

Eine schmale Straße stellt für sich allein keine besondere örtliche Gefahrenlage dar, die eine Sperrung für den Radverkehr rechtfertigen könnte, auch nicht bei Lkw-Verkehr. Eine Gemeinde kann ein Verbot für den Radverkehr nicht anordnen, um den Verkehrsfluss zu erhöhen, da dies kein gültiges Kriterium nach § 45 Abs. 9 StVO darstellt. Auf der wenig befahrenen Straße seien zudem keine ungewöhnlichen örtlichen Gefahrenlagen erkennbar. Darüber hinaus sei bereits Tempo 30 angeordnet. Die Geschwindigkeit von Kraftfahrern sei daher nicht einmal stark beeinträchtigt. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte die Interessen der Radfahrenden nur unzureichend in ihre Erwägungen eingestellt habe.

Die von der Stadt Groitzsch angeordnete Sperrung wurde vom Gericht aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist seit dem 10. Oktober 2023 rechtskräftig.


https://sachsen.adfc.de/pressemitteilung/pressemitteilung-behoerde-kann-strasse-nicht-einfach-so-fuer-fahrraeder-sperren

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