Drei Viertel der Sachsen fühlen sich auf dem Rad gefährdet
Heute stellte der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club Sachsen (ADFC) in Dresden die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests 2022 für Sachsen vor. Drei Viertel der über 9000 Befragten in Sachsen fühlen sich auf ihren Wegen mit dem Rad gefährdet.
ADFC stellt Ergebnisse des Fahrradklima-Test 2022 für Sachsen vor
55% stimmen außerdem der Aussage zu, dass Radfahren für sie eher Stress als Spaß bedeutet, 62% fühlen sich nicht als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer akzeptiert und 76% berichten von Konflikten mit Autofahrern. Brisant dabei: In den letzten Jahren bewerteten die Befragten das Sicherheitsgefühl beim Radfahren immer schlechter.
„Die Menschen wollen mehr Wege mit dem Rad zurücklegen. Doch im Moment wird ihnen das schwergemacht: Stress, Angst und Unsicherheit dominieren Sachsens Straßen.“, sagt Konrad Krause, Geschäftsführer des ADFC Sachsen.
Auch die Infrastruktur bewerteten die Befragten kritisch: 63% sagen, Radwege seien oft holprig und in schlechtem Zustand, nur 18% der Befragten in Sachsen finden die Radwege ausreichend breit. 77% berichten, dass sie an Baustellen oft absteigen und schieben müssen und keine sichere Umleitung angeboten bekommen, wie das für Autos normalerweise der Fall ist.
Trendwende bei der Förderung des Radverkehrs: Auerbach im Vogtland vorn
Durchaus positiv bewerteten die Befragten die Anstrengungen einiger Städte, den Radverkehr zu fördern. Den ersten Platz in Sachsen belegt dabei Auerbach, wo 64% mit dem kommunalen Engagement zur Förderung des Radverkehrs zufrieden sind, gefolgt von Leipzig (62%) und Stollberg (56%).
„Auch sachsenweit bescheinigen die Befragten den Kommunen eine kleine Trendwende bei der Radverkehrsförderung.“, sagt Konrad Krause. Erstmals seit 2012 schnitten die sächsischen Kommunen bei dieser Bewertung besser ab, als beim zurückliegenden Fahrradklima-Test. Krause führt das auch darauf zurück, dass der Freistaat Sachsen die kommunale Radverkehrsförderung in den letzten Jahren auf ein solides finanzielles Fundament gestellt hat. Auch die Mittel aus dem Klimapaket des Bundes kommen in Sachsen an. Doch die Finanzierung ist keineswegs gesichert: „Verkehrsminister Wissing will die Radverkehrsförderung beim Klimapaket zusammenstreichen und kürzt jetzt schon beim Neubau von Radwegen an Bundesstraßen.“, kritisiert Krause die Bundesregierung. „Die Förderung des Radverkehrs in Deutschland braucht eine dauerhafte Finanzierung und einen langen Atem. Im Moment habe ich den Eindruck, dass Berlin da nicht dranbleibt.“, verweist der ADFC-Geschäftsführer kritisch auf die Bundesebene.
Fokus des Fahrradklima-Test 2022: Fahrrad-Mobilität in ländlichen Gegenden und kleinen Städten
Beim Fahrradklima-Test 2022 fokussierte der ADFC, neben den 27 Standardfragen, das Radfahren in ländlichen Räumen. 51% der Befragten bemängeln die Erreichbarkeit der Nachbarorte mit dem Rad. Oft müsse man Umwege oder holprige Wege in Kauf nehmen, wenn man mit dem Rad den Nachbarort erreichen wolle, weil der Radweg fehlt. Nur 22% der Befragten fühlen sich auf diesen Wegen sicher. Und nur 35% sagen, dass sie sich auf diesen Wegen sozial sicher fühlen, also keine Angst vor Übergriffen oder Belästigungen haben.
„Die Menschen wollen Rad fahren, auch in kleinen Orten und zwischen den Gemeinden. Auch hier gibt es viele kurze Wege unter fünf Kilometern. Die Menschen erleben es als enormes Problem, dass sie oft nur unter Lebensgefahr von Ort zu Ort kommen. Verkehrsminister Dulig muss beim Radwegebau zwischen den Orten endlich in die Pedale treten.“
ADFC: Sicherheitsgefühl und soziale Sicherheit in den Blick nehmen!
Nicht nur der Wegebau zwischen Orten spielte bei der Befragung eine Rolle, sondern auch das Sicherheitsgefühl der Menschen sowie die soziale Sicherheit, also die Frage, ob Radwege so geführt und gebaut sind, dass Menschen sich dort z.B. auch in der Dunkelheit entlang trauen.
„Sachsens Städte müssen mehr Tempo machen beim Ausbau ihrer Radwegenetze. Aber nicht nur das: Bei der Planung eines Radwegs stellt sich heute keiner die Frage nach dem Sicherheitsgefühl der Menschen bei ihren Wegen mit dem Rad. Wenn sich Menschen auf schmalen oder abrupt endenden Wegen gefährdet fühlen, meiden sie diese Wege.“ Das sehe man heute schon oft bei so genannten Schutzstreifen, also schmalen gestrichelten Wegen am Straßenrand. Dort sehe man kaum Kinder oder ältere Menschen. „Und das ist kein Zufall.“, ist Krause überzeugt.
Ebenso müssten Planer endlich auch die soziale Sicherheit bei der Radverkehrsplanung in den Blick nehmen. „Der ADFC fordert daher ein Radverkehrsnetz, was nicht nur sicher ist, sondern von den Menschen auch so wahrgenommen wird.“ sagt Krause. Dazwischen bestehe durchaus ein Unterschied: Weil der Radwegebau an Landstraßen nicht vorankomme, denke der Freistaat aktuell darüber nach, Wege weit abseits der Straße als Radweg umzunutzen.
Vor allem ältere Menschen meiden alte Feld- und Waldwege, aus Angst vor Übergriffen. „Wir wissen, dass sich Eltern zweimal überlegen, ob sie ihr Kind auf dem Weg in den Nachbarort mit dem Rad über einen einsamen Waldweg schicken. Da kommt ja schon ein bisschen Rotkäppchen-Stimmung auf.“, gibt der ADFC-Geschäftsführer zu bedenken. Wenn man erfolgreich Radverkehr fördern wolle, müsse man solche subjektiven Aspekte in die Planung einbeziehen. Zu echten straßenbegleitenden Radwegen gebe es oft einfach keine Alternative.
Hintergrund: Über den Fahrradklima-Test
Der ADFC-Fahrradklima-Test ist die größte Umfrage zur Zufriedenheit der Radfahrenden weltweit. Er wird vom Fahrradclub ADFC alle zwei Jahre mit Unterstützung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr durchgeführt und fand 2022 zum zehnten Mal statt. Rund 245.000 Radfahrerinnen und Radfahrer haben im Herbst 2022 abgestimmt, 1.114 Städte kamen in die Wertung. Damit fundierte Ergebnisse erzielt werden können, müssen je nach Stadtgröße mindestens 50, 75 oder 100 Abstimmungsergebnisse vorliegen. Die Ergebnisse des Tests haben durch die breite Bürgerbeteiligung eine hohe Aussagekraft und können Kommunen helfen, das Angebot für Radfahrende gezielt zu verbessern.
Über den ADFC
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e. V. (ADFC) ist mit mehr als 220.000 Mitgliedern die größte Interessenvertretung jener Menschen weltweit, die Rad fahren oder Rad fahren wollen. Er versteht sich als treibende Kraft für modernen Verkehr– für mehr Lebensqualität in den Städten und für eine gesundheitsfördernde Mobilität. Außerdem berät er in Fragen rund ums Rad, gibt Tipps zu Recht, Technik und Tourismus und engagiert sich politisch auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs.